2 Wochen Moos-Alphütte & 2 Wochen in der Blockhütte in Unterbäch

Tag 1:Mein erster Hüttenabend. Es ist herrlich. Kerzen an, Feuer brennt, ich sitze satt mit einem Glas Wein an dem grossen, massiven Holztisch, es ist so still draussen, Minus 10 Grad. So lasse ich den ersten Hüttentag Revue passieren...

Mein Leben war in den letzten Tagen getaktet in Minuten. Rechnungen mussten noch gezahlt werden, Telefonate gemacht werden, ich musste dieses und jenes, am besten gestern. «Ich habe keine Zeit für eine Hütten-Auszeit» ging mir immer wieder durch den Kopf. Ich brauchte Entschleunigung.

Hatte heute morgen hatte ich also schnell alles gepackt. Was braucht man für einen Monat Hüttenauszeit?
Ich hatte für einen Monat Essen gekauft, da ich gern frisch koche, war das noch eine Herausforderung. Genug Kerzen dabei, ich wusste nicht genau, ob ich Licht haben würde. Bücher, die ich immer lesen wollte aber nie dazu gekommen bin, einen Mini-Weihnachtsbaum (ja, ich weiss, Luxus, aber manches muss eben sein).
Reichlich Merino-Klamotten, Snowboard-Equipment, Hundefutter, 2 Powerbanks, Seife, die der Natur nicht schadet etc...viel zu viel mal wieder. Ich war mir gar nicht sicher, dass ich die Hütte wiederfinden würde. Ich war vorher nur einmal dort gewesen, als noch kein Schnee lag. Ich hatte mir Gott-sei-Dank einen markanten Baum gemerkt, so dass ich mich orientieren konnte. So zog ich mit Schneeschuhen ausgestattet mit meinem grossen Rucksack und meinen 2 Hunden los, lies mein Auto zurück auf dem Parkplatz und machte mich auf zur Hütte.

Mittags kam ich an der Hütte an. Die Hütte war dick mit Schnee bedeckt, die Sonne schien. Es war so kalt in der Hütte, ich konnte meinen Atem sehne. Erst mal Feuer machen. Genug Holz war schon vorbereitet, gut so. So konnte ich gleich einheizen und musste heute nicht erst welches schlagen.
Kaum brannte das Feuer, kam schon Reto, um mir noch alle notwendigen Dinge zu zeigen.
Wir sassen noch eine Weile gemütlich beim Mittagessen zusammen (einige Lebensmittel hatte ich schon hoch zur Hütte getragen). Reto fuhr dann auf seinen Skiern los und ich bin nochmal runter zum Auto, den Rest holen, den ich für die kommenden Tage brauchen würde. Ich hatte es mir so vorgestellt, dass der Grossteil der Lebensmittel im Auto bleiben würde und ich immer nur das hole, was ich für die kommenden Tage brauchen würde.

Ich kam zur Hütte zurück, das Feuer brannte noch. Und ich war allein. Ich setzte mich vor die Hütte und genoss die letzten Sonnenstrahlen des Tages. Es ist der Hammer, eine solche Möglichkeit zu haben. Inmitten einer solchen Natur, fernab vom Alltag, vom Tal, nichts anderes zu tun als die lebensnotwendigen Dinge. Tagsüber sieht man hier noch einige Skifahrer auf der Piste, der Schlepplift macht noch seine Ratter-Geräusche. Ab 16 Uhr ist man hier alleine. Nur noch Berge, Natur, die Hütte, meine 2 Hunde und ich.
So langsam kam der Hunger. Wie koche ich auf so einem Herd?

Ich liebe so ein Leben. So einfach und simpel und doch so reich. Die Natur ist so reich und hat alles für mich, was ich brauche. Das Wesentliche im Leben reicht. Eine Hütte, Feuer, Wasser (ich taue Schnee auf dem Ofen auf), Essen, ein gemütliches Bett.Mit diesem Gefühl sitze ich also am ersten Abend am Tisch am Feuer. Alles ist gut und ich bin hier richtig. Ich bin.

Nachts stehe ich alle 2 Stunden auf, um Feuerholz nachzulegen. Die Hütte muss erstmal richtig warm werden. Ich liebe es, bei knisterndem Feuer immer wieder einzuschlafen.Trotzdem wache ich ausgeschlafen auf. Ich schlafe hier so gut.

Tag 2:Morgens wache ich auf, das Feuer fast aus, also schnell Holz nachlegen.
Ich mache mir einen grossen Kaffee und setze mich damit vor die Tür auf die Bank, ein gutes Buch in der Hand. («Man muss so wenig müssen» von Tomas Sjödin) Noch ist niemand auf der Piste, die Stille ist unglaublich schön.
Irgendwann stehe ich vom Platz vor der Hütte auf, ich muss mehr Feuerholz machen. Das klappt besser als gedacht. Ich habe noch nie nennenswerte Mengen Feuerholz gemacht vorher und ich habe mir ernsthaft Gedanken gemacht, was ist, wenn das nicht klappt. Es war seltsam. Es war noch nicht Mittag und ich hatte alle Aufgaben erledigt, die ich an dem Tag tun wollte. Es war noch so viel Tag übrig. Gewöhnlich habe ich immer noch so viele Aufgaben übrig, obwohl der Tag vorbei ist. Das war neu. Dann feuerte ich eben die Sauna an. Und sass mittags da drin, draussen die Winterlandschaft und die Berge, Feuerknistern hier drin.

«Jeden Morgen erwachen wir in einer Welt, die wir nicht selbst erschaffen haben. Sie ist da. Wir finden sie vor. Regelmässig zu ruhen ist die aktive Entscheidung, diese Welt niemals für selbstverständlich zu halten.»

«Man muss nicht genügen, es genügt, dass man da ist. Alles, was darüber hinaus geht, ist ein Bonus.»

Als ich gerade in der Sauna war (zum zweiten Mal an diesem Tag), heulen draussen Wölfe. Der Mond spiegelt sich auf dem Schnee, es ist eine klare Nacht. Ein unglaublich schöner Augenblick.
Später schreibe ich in mein Tagebuch:

«Es ist gut so, wie es ist und doch sehne ich mich nach mehr Wesentlichkeit, nach mehr Einfachheit. Hätte ich das Ziel schon erreicht, wäre das Abenteuer vorüber. Die Sehnsucht ist der ferne Klang von etwas, das es tatsächlich gibt. Und es gibt Augenblicke, da ist mir eins völlig klar: Ich wünsche mir nichts anderes, als so zu leben, wie ich es gerade tue und so aufmerksam zu sein, dass mir die Schönheit des Augenblickes nicht entgeht.»

Es ist schon verrückt, ich lebe hier, wie die Menschen vor 200 Jahren gelebt haben. Seitdem hat sich die Menschheit so weiterentwickelt. (was heisst weiterentwickelt?).
Ich brauche nichts mehr zum glücklich sein, als die Menschen vor 200 Jahren hatten. Was ist Luxus?

Die Sache mit dem Rhythmus des Lebens:
Jedes Jahr hat einen Rhythmus mit den Jahreszeiten. Die Natur macht es uns vor. Im Winter kommt alles zur Ruhe. Unsere Wochen haben einen Rhythmus. Jeder Tag, die Sonne geht auf und unter. Wie können wir Menschen glauben, wir wären frei davon, einen Rhythmus von «an und aus» zu haben? Auch wir haben Zeiten vom Ruhen und Zeiten vom Wach sein.

«Wenn man zu der Sorte Mensch gehört, die ein aktives Leben führt, dann ist das Nichtstun nicht eine Möglichkeit, sondern eine Notwendigkeit.»

Es ist der 3. Tag hier, der 22.12.20.So langsam holen mich auch Dinge aus meinem Leben ein, für die ich sonst erfolgreich keine Zeit habe. Auch das hat seinen Platz hier.

«Die Kunst eines erfüllten Lebens ist die Kunst des Lassens:
Zulassen – Weglassen – Loslassen.»

Das Wetter ist der Hammer. Also meine junge Hündin genommen, Schneeschuhe an und eine lange Wanderung gemacht im Schnee.
Am Abend noch Weihnachten vorgefeiert mit guten Freunden. Wie gut. Mal so anders das alles. Nichts muss.
Statt schicker Bluse vom Bademantel bis zur Schneehose alles dabei. Einfach nur sein, Gemeinschaft haben. Gut essen. Feuer machen. Den Sternenhimmel geniessen. Das Wesentliche.

Ich lese ein Buch über eine Frau, die die 7 Summits geschafft hat. Sie hatte 3 Prinzipien:
1. Positiv bleiben
2. Entschlossenheit
3. Mut

«Man hat mehr Kraft, wenn man sich gut um sich selbst kümmert. Nicht, wenn man sich in aller Härte kaputt macht.»

Ich glaube, da ist was Wahres dran.

Tag 4, 24.12.20 Heilig-Abend-Morgen
Es hat über Nacht geschneit. Es ist immer so besonders still, wenn es schneit. Was für eine unglaubliche Natur da draussen. Überall anders ist es so laut jetzt, so viele kommen zusammen, es muss so viel getan werden. Alles muss sonst vorbereitet werden. Ich bin mal wieder schon fertig mit allem, was ich tun muss. Holz hacken und Schnee auftauen. Weihnachten. Was bedeutet mir das wirklich? Mir, wenn ich ganz alleine bin? Ohne Erwartungen von anderen? Ein Fest der Familie? Was haben die Geschenke zu bedeuten? Statt Geschenke auszupacken schreibe ich mal auf, für was ich in meinem Leben dankbar bin.
Es ist unglaublich, wie lang meine Liste wurde. Seitenlang. Ich war stundenlang am Schreiben.

«Ruhe ist nicht dazu da, dass wir noch mehr schaffen. Sie will uns neu erschaffen.»
Tomas Sjödin

Ich bin eine Weile hier alleine gewesen. So langsam freue ich mich auf andere Menschen. Aber allein sein ist auch gut.

«Das Grosse ist nicht, dies oder das zu sein, sondern man selbst zu sein.»

Nach 10 Tagen hier oben in unglaublicher Natur muss ich im Tal wieder arbeiten, um abends wieder hier her zurück zu kommen. Ich stelle mir also wieder einen Wecker (Zeit spielte ja keine Rolle mehr), es ist noch dunkel, als ich mit meinen Schneeschuhen im Schneesturm aufbreche zum Auto zurück. Schneeketten aufziehen. Klappt. Runter von diesem Berg. Plötzlich Alltag. Wieder zurück. Wieder nur das Wesentliche, voll Entschleunigung. Man kann nichts schnell tun. Will man essen, muss man erst Feuer machen. Das ist so gut. Die vermeintliche Einschränkung wird zum Privileg. Ich habe Zeit für das Wesentliche. In meinem Leben ist das ein Luxus.

Neues Jahr, neue Hütte.
Als ich in der Unterbäch-Hütte ankomme, bin ich komplett überwältigt von der Hütte selbst.
Das ist die Art von Hütte, von der ich mein Leben lang geträumt hatte.
Woher wissen die, wovon ich träume, denke ich immer wieder. Sie ist einfach perfekt gemacht. Einfach, aber mit so viel Liebe für’s Detail.
Zwar liegt die Hütte mehr eingebettet zwischen anderen Häusern im Dorf, so dass ich meine Hunde nicht so frei laufen konnte, wie oben auf der Moosalp, trotzdem habe ich das Gefühl, wirklich für mich zu sein dort oben.
Das Holz machen und kochen mit Feuer ist mir ja schon in Fleisch und Blut übergegangen. Diese Hütte ist aber nun so gut isoliert, dass ich gar nicht in der nun gewohnten Frequenz Feuerholz nachlegen kann ohne den Hitze- Tod zu sterben.

Ich habe noch nie in meinem Leben so gut geschlafen, wie hier.
Ich schlafe hier so tief, dass ich plötzlich weniger Stunden Schlaf brauche, um voll ausgeschlafen zu sein.
Ich lebe nun meinen Alltag. Habe aber die Ruhezeiten beibehalten. Entschleunigung. Es geht. Sogar mit meinem Leben. Dann geht dieser Lebensstil mit jedem Leben.

«Die Kunst des Ausruhens ist ein Teil der Kunst des Arbeitens»
(John Steinbeck)

«Beim Ruhen geht es darum, die Sachen in der richtigen Reihenfolge zu versäumen»

Mir wird immer mehr klar: ich möchte langfristig gar nicht anders leben.
Das hier ist mein Ding.
Ich habe den Hot-Pot nach einigen Tagen endlich warm. (Minus 15 Grad draussen)
Ich sitze abends nach der Arbeit da drin, blicke auf die Berge.
Gedanken kommen wie: würde ich das hier genau so bauen? Ja, so ziemlich. Es ist unglaublich gut durchdacht. Und unglaublich viel geliebt, sonst könnte es nicht so sein.

Ich packe schlussendlich meine Sachen, gehe zurück in mein «normales» Leben. Was ist normal?

Ich gehe auf gute Weise verändert hier weg. Um mir ganz viel Entschleunigung zu behalten. Um wieder zu kommen und noch mehr davon in meinem Alltag zu integrieren. Um vielleicht für immer so zu leben.

«Die Ruhe ist nicht der letzte Seufzer der Erschöpfung, sondern ein Offenwerden für neue Anfänge»